Zum Anlass seines neuen Buches gibt der neapolitanische Ex-Staatsanwalt Raffaele Cantone dem Tagesspiegel ein Interview. Er bestätigt noch ein mal die verschiedenen Organisationsformen der drei größten Mafia-Organisationen. Kurz: Cosa Nostra hierarchisch mit Spitze (Im Moment Matteo Messina Denaro), 'Ndrangheta dezentral und familiär geprägt und Camorra mit "pulverisierte Struktur".
Letzteres bedeutet, dass es sehr sehr viele Mikro-Banden gibt, die zwar Clans zugehören, jedoch ohne Weisung handeln. Ein Bandenmitglied weiß somit nie über alle Aktivitäten bescheid, so dass Zusammenhänge und Systematik schwer zu ermitteln sind.
Cantone schildert auch einen Unterschied zwischen städtischer Camorra und den Clans in der Provinz Kampanien. Letztere basieren stark auf Familienbanden, die Camorra der Stadt setzt auf Rekrutierung.
Die Giftmüllentsorgung der Camorra wird inzwischen vermehrt in Afrika erledigt. Von Atommüll in Somalia ist die Rede.
Treibende Kraft in der Camorra seien auch Frauen. Cantone sagt hierzu: "Gerade die Frauen der Bosse haben ein sehr gutes Leben, sie wollen die Familie nicht gefährden und ihre privilegierte Position behalten."
Cantone erzählt außerdem anekdotenreich davon, wie man einen gefassten Boss zu einem "Pentito" macht, der das Gesetz des Schweigens brechen soll.
Insgesamt ein gutes Interview, dass hiermit zum Lesen empfohlen wird. Gleichzeitig muss die sehr lokale Betrachtung des Staatsanwalts kritisiert werden. Die Mafia ist globalisiert. Besonders die Clans aus dem Secondigliano-Viertel in Neapel. Weise klingt der pragmatische Ansatz Cantones irgendwie trotzdem, so dass man ihm seine Fokussierung auf sein Revier verzeihen mag:
"Mir gefällt die Idee nicht, die Mafia sei überall. Das hieße im Umkehrschluss, dass sie nirgendwo ist. Das ist es ja, was Politiker den Leuten gerne eingeredet haben, La Mafia non esiste, die Mafia gibt es nicht."
Hier das Buch von Cantone:
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