Der Chef des Camorra-Clan der Casalesi, Antonio Iovine, wurde gestern festgenommen. Auch der flüchtige Pasquale Barbaro vom 'Ndrangheta-Clan Barbaro aus Plati konnte verhaftet werden.
Es wurden nun insgesamt 28 der 30 meistegsuchtesten Mafiosi in Italien festgenommen, 6.754 Mafiosi seit Amtsantritt von Innenminister Maroni, der zu Lega Nord gehört, einer norditalienischen Partei mit seperatistischen Bestrebungen. Maroni versprach nun, auch die verbliebenen zwei der Liste, Matteo Messina Denaro und Michele Zagaria, würden bald gefasst. Der Lega Nord-Politiker wird mit der verblödeten Aussage zitiert "Es fehlen uns noch zwei Mafia-Bosse...". Es gibt anscheinend mehr Mafiabosse als Maroni zählen kann.
Zum Vergleich: Das BKA geht allein von 229 'Ndrangheta-Clans aus, die in Deutschland aktiv sind und denen auch jeweils ein 'ndrine (lokaler Boss) in Deustchland vorstehen dürfte - zumindest jedoch ein Boss in Italien. In dieser Zählung sind die Clans der Stidda, Sacra Corona Unita, Camorra und Cosa Nostra noch gar nicht mitgezählt.
Dass der Norditaliener mit der Mafia-Bekämpfung im Süden beauftragt ist, war jedoch bisher tatsächlich ein Segen: Man muss Maroni lassen, dass er erstaunliche quantitative Erfolge bei Festnahmen und Vermögensbschlagnahmungen vorweisen kann und muss sich rückblickend fragen, warum seine Vorgänger so unfähig waren. Ein Angriff des Ghomorra-Autoren Roberto Saviano auf die Lega Nord in einer Fernsehsendung passt da zunächst nicht ins Bild. Dieser spricht jedoch zu recht an, dass die Mafia nicht unbedingt ein Problem Süditaliens ist und auch die Lega Nord Kontakte zur Mafia unterhalte.
Maroni, als Gallionsfigur seiner Partei im Antimafia-Kampf, will dem nun irrigerweise in einer neuen Fernsehsendung widersprechen. Dass besonders die norditalienischen Finanzzentren und die Schwerindustriezentren der Po-Ebene mit ihrem riesigen Giftmüllentsorgungsproblem von Kapital und Dienstleistungen der Mafia profitieren, passt wohl nicht in das Weltbild des norditalienischen Chauvinisten und Seperatisten Maroni. Sein Mafiakampf - als gegen den Süden gerichtet - bekommt so eine ganz neue ideologische Perspektive.
Keine Partei war jemals unschuldig in Italien. In dem als "Tangentopoli" bezeichneten Skandal in den 90er Jahren konnten dem gesamten politischen Establishment - egal welcher Partei man angehörte - mafiöse Schmiergeld-Routinen nachgewisen werden. 10% jedes Auftrages der öffentlichen Hand flossen automatisch (automatisch) zurück in die Parteikassen. Im Moment kämpfen zwei Regierungsparteien um die Wahlkampfhoheit in den Themen 'Mafiabekämpfung' und 'Integrität von Politik':
Zum Einen die Gruppe um den Neofaschisten Fini, der schon mal seine eigenen Kollegen in der Regierung und im Parlament auffordert, bei Mafiavergangenheit und anhängigen Prozessen ihr Amt niederzulegen (einer der Initial-Gründe, warum Berlusconi mit seinem Koalitionspartner, mit dem er eine Partei teilt, verstieß). Fini war es auch, der sich nach Tangentopoli als erster drastisch gegen Korruption engagierte, und er sieht die obigen Themen traditionell als die seinen an. Und zum Anderen die Lega Nord mit ihrer erfolgreichen Gallionsfigur Maroni. 'Mafia' und 'Integrität' scheinen die einzigen Themen, in denen man sich im eigenen konservativen Lager von dem schmutzigen Berlusconi in der Öffentlichkeit emanzipieren kann. Dies ist der Hintergrund der aktuellen Vehemenz, mit der Maroni auf einen spektakulären TV-Widerspruch gegen Saviano drängt.
Die Gemeinschaftspartei von Berlusconi-Macht und -Seilschaften und den Neofaschisten der Alleanza Nazionale (ehemals Movimento Soziale Italiano) heißt Popolo della liberta (Volk der Freiheit) und ist mit dem kürzlichen Rückzug der Nationalisten unter Fini aus der Regierung faktisch wieder Geschichte. Das Mistrauensvorum gegen die Regierung Berlusconi hat bereits einen Termin.
Auch Berlusconis Kulturminister Bondi steht ein Mistrauensvotum bevor. Er ist mit Äußerungen gegen Denkmalpfleger und drastischen Kürzungen im Kulturbereich aufgefallen. Der Zusammensturz der Schule der Gladiatoren in Pompeji bricht ihm nun das Genick.
Berlusoni braucht jedoch durch seine Vergehen in der Vergangenheit seine Immunität in Staatsämtern und wird sich deshalb einen neuen Namen für seine "Partei" suchen, in der so manche Ministerin und EU-Abgeordnete schonmal nach Schönheit anstatt nach Qualifikation ausgesucht wird. Die Partei an sich hat kein politisches Programm und fungiert auf lokaler Ebene gerne als Sammelbecken für Wirtschafts- und Mafia-Eliten zum Machterhalt. Das Wahlrecht auf kommunaler Ebene kennt in Italien effektiv keine Konkurrenz zwischen Parteien sondern eine Arbeitsteilung von rechtem und linkem Block und jeweils gemeinsamen Listen. Ob sich mit Lega Nord und Faschisten wirklich eine Konkurrenz auf dieser für die Mafia so wichtigen Ebene ergeben wird, bleibt abzuwarten. Wählerstimmen werden in Italien traditionellerweise von der Mafia besorgt.
Der RAI-Chef, der von der Gnade des Ministerpräsidenten Berlusconi abhängig ist, ließ derweil verlautbaren, es sei keine Sendung mit Minister Maroni geplant. Der Wahlkampf für eine neue Berlusconi-Regierung ist also bereits in vollem Gange. Diese wird wohl erst dann Geschichte sein, wenn der "Cavalliere" Silvio auf den Bildschirmen alt und impotent daherkommt und die Italiener seine Omnipräsenz täglich anekelt. Sein Image als Lebemann mit vielen Affairen ist hier wohlmöglich ein politisches Kalkül, das die italienische Seele einmal mehr zu streicheln vermag. Für die Mafia ist Berlusconi ohnehin die bessere Wahl, da dieser durch seine eigene Person die gesellschaftliche Normalisierung des 'Machtstrebens mit allen Mittel' vorantreibt.
Nachtrag: Auch Nando della Chiesa hat sich bei der Vorstellung seines neuen Buches "Convergenza" kritisch zur These des sauberen Norditaliens von Minister Maroni und der Lega Nord geäußert: Die Lombardei sei das eigentliche Problem der Mafiabekämpfung. Sein Buch behandelt das Thema 'Weiße Mafia'
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