Samstag, 7. August 2010

Der ethische Kodex der Parteien und die Mafia in der Politik

Der Präsident der Anti-Mafia-Kommission im italienischen Parlament ist besorgt über Mafia-Kandidaten. Ein Kodex setzte bisher auf die Selbstverpflichtung der Parteien, keine Kandidaten mit Vorstrafen einzusetzen. Neben vielen regionalen Kandidaten ist z.B. auch der Präsident der Region Sizilien, Raffaele Lombardo, im Verdacht, Kontakte zu dem Mafia-Boss Vincenzo Aiello zu haben.

Kleine Analyse:

Italien hat 1993 eine Wahlrechtreform durchgeführt, die das Verhältnis- und Mehrheitswahlrecht auf kommunaler Ebene neu geordnet hat. Damals versprach man sich überparteilich davon, die Wahlen mehr auf große Parteien zuzuschneiden, um die festgefahrene Parteienlandschaft mit vielen Politik-Blockierern und Beauftragten für Klientel-Kuhhandel ("Trasformismo" der Fachbegriff hierzu) zu verhindern. Die Reform begünstigte zwar zwei große Lager, führte jedoch auf regionaler und kommunaler Ebene zu Absprachen hauptsächlich im konservativ-faschistischen Lager. Sie teilten sich - sehr ähnlich der Mafia - die Gebiete auf und stellten dort quasi nur einen Kandidaten. Die kleineren Parteien waren also weiterhin Teil des politischen Geschehens und im Zentrum der Bündnisse.



Die zweite Wahlreform 2005 kehrte wieder komplett zum Mehrheitwahlrecht zurück und führte eine 4%-Hürde ein, die aber umgangen werden kann, wenn man sich mit anderen Parteien und deren Wahlisten arrangiert. Die Senatoren unterliegen seit 2005 wieder komplett der Kontrolle der Parteien: in den Regionen dürfen bei deren Wahl nur Parteien und keine Personen angekreuzt werden.

Diese vorläufige Zersplitterung und Aufteilung der Regionen und spätere Unterwerfung unter die Parteien hatte meiner Meinung nach zwei Effekte: Sie schneidet zunächst das politische System auf große Koalitionsbündnisse zu, die die Gebiete auf lokale Parteien aufteilen und somit der Mafia verlässliche und in der Region verwurzelte Ansprechpartner bieten. Solche Zwei-Lager-Wahlen verhindern eine differenzierte politische Debatte und verleiten Politiker eher dazu, dem Ausgang der Wahl einen Schubs in die richtige Richtung zu geben - wo Wählerstimmen herkommen können, ist Lesern dieses Blogs ja bekannt.

Zweiter Effekt - der auch durch die zweite Wahlreform verstärkt wird - ist die Tatsache, dass ein solches politisches System der Partilkularinteressen und Zersplitterungen mächtige, zentrale Führungsperonen braucht, die die Streitereien und politische Profitgier vieler lokaler Bosse/ Politiker auf eine Linie bringt. Dafür muss dieser Führer ihnen natürlich Macht, Profit und Sicherheit versprechen.. Die Mafia würde ihn "Boss der Bosse" nennen, wir nennen ihn "Medienmogul Berlusconi", manch andere nennen ihn "Cesare".



Berlusconi hat zum Einen ein Interesse an der Zersplitterung Italiens, zum Anderen braucht er dessen Einheit, damit die Abhängigkeit von ihm als Zentrum bleibt. Die neuesten Attacken gegen Mitparteichef Fini zeigen, dass er diesen Spagat zwischen den Seperatisten und regionalen Fürsten nicht mehr aushält und sich absolute Mehrheiten wünscht. Ob dies ohne die Mafia möglich ist, gegen die die Justiz in letzter Zeit erfolgreich vorgeht, bleibt fraglich.

Hoffen wir, dass Berlusconi bei der nächsten Wahl die Stimmen der Mafia braucht. Alles andere wäre eine erneute Schande für Italien. Jedoch auch die Alternativen sind nicht vielversprechend - siehe Fini.

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