Relevanz hat das Thema für dieses Weblog aus verschiedenen Gründen: Italien ist kompliziert.
Im Mittelpunkt stehen zwei verletzte Eitelkeiten: Berlusconi und Fini. Ersterer steht unter Druck wegen den Vorwürfen zur Verschwörung mit der Industrie und der Mafia (siehe "P3") und letzterer als ehemaliger Führer einer neofaschistischen Partei (Alleanza Nationale, vormals Movimento Sociale Italiano, entstanden aus den Resten des Mussolini-Faschismus: hier ist nicht genügend Platz, diese Geschichte zu erzählen), die sich gerade in dem Korruptionsskandal Anfang der 90er (Tagentopoli) als Aufklärer gegen den Sumpf der Parteien etablierte, bzw mit diesem Thema ihre Wahlerfolge errang.
Aus dieser Tradition der "mani pulite" (Eine "Sauberen Hände" genannte Ermittlung gegen alle Politiker des Korruptionssystem bezüglich öffentlicher Aufträge Anfang der 90er) heraus mahnte Fini als Parlamentspräsident die Integrität aller Politiker an und forderte all diejenigen, gegen die Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren laufen auf, zurückzutreten. Berlusconi ernannte jedoch jüngst erst einen alten Freund, Manager seiner Firma Fininvest, der wegen einem Bankenskandal und Hehlerei ein Verfahren am Hals hatte, zum Minister für "die Verwirklichung des Föderalismus" - später für "Dezentralisierung und Subsidiarität". Berlusconi hatte zuvor für ein Gesetz gesorgt, wonach Regierungmitglieder, wie er selbst, nicht zu Gerichtverfahren erscheinen müssen, wenn sie irgendwie ihr Amt ausüben müssen. Auch andere Personen in Berlusconis Umfeld sind sehr offensichtlich von der Vorderung zurückzutreten des Paralemntspräsidenten Fini betroffen (siehe die hier gesammelten News).
Die Forderung Finis war jedoch wohl eher allgemein und nicht konkret auf einzelne Personen bezogen. Fini hatte jedoch auch ein Berlusconi-Gesetz, das Journalisten mit drakonischen Strafen belegen sollte, wenn sie Abhörprotokolle öffentlich machen, abgeschwächt (Das Gesetz zur kompletten Abschaffung der Telefonüberwachung ist wohl noch geplant). Dass Fini ein Saubermann geworden ist, wage ich jedoch zu bezweifeln. Letzlich sind es die unüberbrückbaren Differenzen im konservativ-bürgerlichen Regierungsbündnis, die die jetzige Eskalation unvermeidbar machten.
Die andere Koalitionspartei, die Lega Nord, steht für die Aufspaltung Italiens in Nord und Süd und ihr Chef Umberto Bossi hat sich hierfür die Zuständigkeit für Föderalsimusfragen gesichert (deshalb letztlich der Wechsel der Zuständigkeit für Berlusconis Spontanminister). Die Alleanza Nationale steht mit ihrem faschistisch-nationalistischem Erbe natürlich genau für das Gegenteil, nämlich die Einheit Italiens. In letzter Zeit soll sich die Lega Nord in dem auf Berlusconi zugeschnittenen Regierungssystems mehr Gehör verschafft haben, was die Provokationen Finis erklären.
Und Berlusconi? Berlusconi ist - selbst in der italienischen Öffentlichkeit - auf einmal öffentlich im Verdacht, die Spitze einer Geheimloge, der Schutzpatron von Kriminellen und Mafiosi in seiner Regierung und der Korrupteste von allen zu sein. Ihm ist das Spektakel, das er normalerweise organisiert und steuert, entglitten. Der jetzige Bruch mit Fini ist der Versuch, wieder Handelnder und nicht Angeklagter und Opfer der Situation zu sein. Das Beste was ihm passieren könnte, wären Neuwahlen. Sie wären der Freifahrtschein, sich selbst in allen seinen Medienkanälen in Szene zu setzen und alle Kritik an ihm als Wahlkampf zu diffamieren.
Auch Fini würde ich nicht unbedingt als naiv und ehrlich abtun: In Italien ist alles möglich. Das Oberwasser des linkeren Lagers (Bündnis wäre in diesem Fall eine übertriebene Beschreibung) wegen der aktuellen Skandale macht den Rechten zu schaffen. Eine gezielte Aufregung mit Protagonisten aus dem Regierungslager wäre eine perfekte Übernahme. Nebenbei könnten sich Fini und Berlusconi perfekt Profilieren. Sollten all die Berlusconi-Medien (außer eines Murdock-Privat-Senders und vielleicht zwei drei Zeitungen: Alle! Auch die Öffentlich-Rechtlichen.) auf diese Auseinandersetzungen aufetzten und tatsächlich hauptsächlich davon berichten, wissen wir bescheid.
Die Themen Mafia, Korruption und die diesbezüglichen Ermittlungen würden einmal mehr aus der öffenltichen Diskussion verdrängt.
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