Sonntag, 10. Oktober 2010

Italien fordert effektivere Anti-Mafia-Instrumente in den EU-Staaten

Diese Forderung wurde nun auf der OSZE-Tagung in Palermo formuliert - ein Tagungsort, der kein Zufall sein kann (siehe unten). Parlamentspräsident Fini und der italienische Innenminister Maroni legen erstaunlicherweise eine reife Analyse der Mafia als globalem "Player" vor und fordern besonders Maßnahmen gegen Mafia-Besitz und die systematische Korruption in allen (!) Staaten.

Die italienische Regierung scheint inzwischen gemerkt zu haben, dass man sie beim Thema Mafia im In- und Ausland endlich wieder ernst nimmt. Dass gerade Italien die Verbindung von Politik und Mafia und die Beschäftigung mit dem Thema Korruption anmahnt, ist natürlich ein innenpolitisches Manöver, sind es doch gerade Regierungspolitiker, die unter diesem Verdacht stehen.

Während es bei Fini als Faschist wohlmöglich tatsächlich eine Profilierung gegen Berlusconis Partei "Volk der Freiheit" ist, ist Maroni in letzter Zeit wohl selber überrascht, welche Erfolge ihm die Ermittler aus Justiz und Polizei in letzter Zeit bieten. Seine Regierung arbeitet auf jeden Fall an einigen Gesetzen, die die Mafia-Verfolgung (bald Einschränkung der Telefonüberwachung, die zu 99% der Mafia-Verurteilungen führt), Mafia-Verurteilung und den endgültigen Entzug von Mafia-Vermögen erschweren.

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In dieser Hinsicht ist der Tagungsort selbst, wenn nicht bewusst gelegt, so doch günstig. Der Anti-Mafia-Besuch des Papstes klingt noch nach und auf dieser Welle, versuchen sich die Inszenierungsprofis mit Berlusconis Sendern als Ordnungshüter und Mahner auf internationalem Parkett darszustellen. Die Mafia ist paradoxerweise die einzige Hoffnung der italienischen Regierung, das Heft nach den gewaltigen Anschuldigungen gegen Berlusconi, seine Beschützung von Kriminellen, gegen das Wirtschaftministerium, gegen das Justizministerium (2), zu der Geheimloge "P3", den Kriminellen mit Immunität in Senat und Parlament, dem internen Hass zwischen den Koalitionspartnern, den Gesetzesvorhaben zum effektiven Schutz von Mafia-Vermögen (siehe oben) endlich wieder in die Hand zu bekommen. Alles nur ein Trick.

Gedankenspiel: Wenn Berlusconi immer noch so gute Kontakte in die Mafia hat, müsste er sich jetzt einen Anschlag auf den Staat oder einen Würdenträger wünschen. Am besten unschuldig und von keiner anderen Partei vereinnahmt. Die "Spannungsstrategie" ist seit Jahrzehnten ein Mittel der italienischen Politik, um den Wunsch nach Law und Order zu stärken und die bestehende Regierung trotz vieler Vorwürfe zu stärken: Wir können gespannt sein und erleben einiges bereits.

Ein anderes Mittel war der Anfang der 90er nach den Korruptionsskandalen ausgehandelte Deal zwischen Mafia und dem New Establishment (Berlusconi und Forza Italia). Um Ordnung (enge Beziehungen zwischen Politik und Mafia) und Vertrauen in die Politik wieder herzustellen wurden damals einige Mafia-Bosse geopfert und ein neuer Partner in der Politk mit diesem Geschenk gestärkt. Vielleicht ist dies ja schon im Gange: siehe hier, hier und hier.

Beide Perspektiven sind spektakulär und umso wahrscheinlicher, je gefährdeter sich Berlusconi fühlt.

Wir wissen nicht, welche Themen die italienische Presse pusht und welche nicht. Aber machen wir uns nichts vor: Die italienische Öffentlichkeit wird mit unserem Presse Agenda Setting nichts zu tun haben und eine ganz andere Welt sein, als wir sie kennen. Bühnen und Ereignisse wie das OSZE-Treffen sind da in ihrer Inszenierung nicht harmlos.

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